Dorf-Geschichte | Das 20. Jahrhundert beginnt | |
Bau der Main-Weser-Bahn | Wenkbach ab 1950-1 | |
Landwirtschaft bis 1900 | Wenkbach ab 1950-2 | |
Stand und Situation 1858 | Wiederaufbau | |
Die Post | Der Wenkbach | |
Wenkbach um 1876 |
Die schwierige Zeit nach dem verlorenen 1. Weltkrieg erreichte einen Höhepunkt mit den Inflationsjahren 1921 bis 1923. Das Geld wurde immer weniger wert und der Hunger nahm zu. In vielen Städten kam es zu Unruhen. Die Not der Landwirtschaft verschlimmerte sich ebenfalls in diesen Jahren. Ein außergewöhnlich harter Winter 1928/1929 kam hinzu, mit zum Teil verheerender Wirkung.
Kartoffeln und Dickwurz erfroren in den Kellern und sogar in den Mieten auf dem Felde. Die Schäden und die Folgen der lang anhaltenden Kälte waren schlimm.
Gleich nach Beendigung des ersten Weltkrieges, im Juli 1919, schloß die Gemeinde Wenkbach mit der Stadt Marburg einen Vertrag zur Versorgung mit elektrischer Energie. Vorangegangen war ein entsprechendes Angebot schon 1917, nachdem sich in den Jahren zuvor die Verwendung von Elektrizität auch auf dem Lande durchgesetzt hatte. Überlandzentralen waren gegründet. In wenkbach war dies das
Elektrizitätswerk der Stadt Marburg, das den Strom von der Edertal-Zentrale erhielt. Wenkbach bekam ein Transformatorenhaus, am südlichen Ende der Dorfstraße. Elektrische Leitungen überspannten nun das Land. Öl- und Petroleumlampen hatten weitgehend ausgedient. Elektromotoren vereinfachten viele Arbeiten.
Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) wurde 1930 zur zweitstärksten Partei nach den Sozialdemokraten. Noch 1928 waren nur rund 3% für die von Hitler 1925 mitbegründete Partei. Durch die Jahre der Not und der inneren Unruhen setzten große Teile der Bevölkerung ihre Hoffnung auf die Nationalsozialisten. Man glaubte an die Versprechen, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen, für die notleidenden Bauern zu sorgen und Deutschland wieder zu Ansehen in der Welt zu verhelfen. Aber schon nach 1934 stand fest, daß sich nichts weiter verbesserte, weder die Arbeitslosigkeit noch die Notlage der Bauern.
Es folgte die Gleichschaltung und die Anpassung aller bestehenden Verbände und Vereinigungen. Arbeiterparteien wie SPD und KPD wurden verboten. Führende Mitglieder wurden in „Schutzhaft“ genommen und viele davon kamen in Konzentrationslager. Ebenso verboten wurden die Gewerkschaften. Juden wurden geächtet, ihre Geschäfte boykottiert und zum Teil „arisiert“. Auch Berufsverbote gab es. Juden mußten zur Kenntlichmachung den gelben Stern auf ihrer Kleidung tragen.
Die Arbeiterparteien traten wenig an die Öffentlichkeit. Vieles drang nicht mehr zu allen durch, da darüber nicht gesprochen wurde, wohl auch aus Angst. Wer Nachteile für sich, vor allem im Beruf, vermeiden wollte, mußte Mitglied der NSDAP sein und das Parteiabzeichen tragen oder wenigstens einer Parteiorganisation angehören. Die Möglichkeiten des „Volkes“ sich umfassender zu informieren, waren damals äußerst gering. Nur ganz wenige hatten bereits einen Rundfunkempfänger. Den meisten Familien reichte noch ein Wochenblatt um sich einen Überblick zu verschaffen.
Hier wurde nur berichtet was die Regierung erlaubt hatte.Es wurde überhaupt alles nur noch verordnet, eine Mitbestimmung gab es auf keiner Ebene mehr. Mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Polen, am 1. September 1939, begann Hitler den zweiten Weltkrieg.
Es wurde Verdunkelung befohlen zum Schutz vor feindlichen Fliegern. Leichte Holzrahmen, mit schwarzem „Verdunkelungspapier“ bespannt, wurden vor die Fenster gestellt. Kein Lichtschein durfte nach außen dringen. Die Männer mußten nach erfolgter Musterung zum Militär. Ebenfalls gemustert und „ausgehoben“ wurden bei uns auch Pferde, die damals noch in großer Zahl von den Truppen gebraucht wurden. Die Bauern mußten ihre Tiere vorführen, das geschah mitten im Dorf, im Beisein eines Militär–Tierarztes. Die Frauen hatten nun die Hauptlast der Arbeit zu tragen. Schon kurz nach dem Polenfeldzug kamen polnische Männer und Frauen als „Fremd- und Zwangsarbeiter“ ins Dorf. Sie wurden bei den Bauern als Hilfskräfte eingesetzt, wo sie auch wohnten. Die Bauern hatten festgelegte Mengen Milch abzuliefern. Das geschah in 20-Liter-Milchkannen. Diese wurden auf „Milchbänken“, die überall im Dorf standen, gesammelt und das „Milchauto“ brachte sie zur Molkerei.
Um die alleinstehenden Mütter, die Väter waren ja eingezogen, zu entlasten, richtete die NSV (Nationalsozialistische Volksfürsorge) im Februar 1942 in Wenkbach einen Kindergarten in den oberen Schulräumen ein. Betreut wurden etwa 30 Kinder, zeitweise jedoch, durch Flüchtlingsfamilien, bis zu 60 Kinder. Die monatlichen Kosten für die Familie betrugen 2,– RM. Wie üblich wurde viel gespielt und gebastelt. So bastelten die angehenden Schulanfänger im Kindergarten ihre Zuckertüten aus Glanzpapier selbst. Im Winter 1942 fiel die Betreuung wegen fehlendem Brennmaterial aus. Der Kindergarten wurde am 15. Januar 1945 geschlossen.
Das Kriegsende
Am 28. März 1945 stießen motorisierte amerikanische Einheiten der 7. Panzerdivision, von Gießen her durch das Lahntal in Richtung Marburg vor. Gegen 11 Uhr rollten die ersten Panzer, von Niederwalgern kommend, über die Hauptstraße nach Wenkbach. Überall im Dorf hingen weiße Fahnen. Die Menschen, die sich aus Angst in ihren Kellern versteckt hatten, trauten sich bald wieder auf die Straße. Einige deutsche Soldaten, die im Keller der damaligen Post in der Dorfstraße, Schutz gesucht hatten, stellten sich den Amerikanern. Sie mußten auf dem Schulhof antreten und ihre Waffen abgeben, die zerschlagen wurden. Der Strom wurde gesperrt und stand für längere Zeit nur stundenweise zur Verfügung. Petroleumlampen kamen wieder zu Ehren.
Ungewißheit herrschte über das Schicksal der Wenkbacher Soldaten, die in Gefangenenlager in Rußland, Frankreich und auch in Amerika waren. Es dauerte Jahre bis der letzte Soldat in die Heimat zurückkehrte. Schwerer wog die Trauer um die vielen Gefallenen wenkbächer Menschen.
Die zahlreichen Flüchtlinge verursachten große Ernährungs- und Versorgungsprobleme, selbst auf dem Lande. Um die schlimmste Not zu lindern, wurde den Neubürgern Grabland zugeteilt. In Wenkbach stellten Bauern Äcker zur Verfügung, die in kleine Parzellen aufgeteilt wurden.Noch Ende 1955 wohnten in Wenkbach 22 heimatvertriebene Familien mit 71 Personen sowie 4 ausgebombte Familien mit 10 Personen. Viele von Ihnen wurden hier seßhaft.
Die Versorgung verschlechterte sich insgesamt. Viele Vertriebene aus dem Osten mußten zusätzlich untergebracht und ernährt werden. Die Städter gingen auf „Hamsterfahrt“ in die Dörfer. Sie gaben vieles her, nur um zusätzlich ein paar Lebensmittel zu erhalten. Der „Schwarzhandel“ blühte, die Reichsmark war nichts mehr wert und die Geschäfte waren leer. Durch die Hamsterfahrten waren die Züge, die wieder fuhren, katastrophal überfüllt. Die Menschen hingen wie Trauben an den Waggons oder saßen auf den Zugdächern, oft schwer bepackt. In dieser Zeit nahmen die Diebstähle, vor allem auf den Dörfern, stark zu, sicher viele aus Not. Hasenställe und Räucherkammern wurden geplündert, Güterwagen wurden beraubt.